Geschichte der Sonnmatt

Zur Entstehung des Haus Sonnmatt in Langenbruck

Einleitung

Die Geschichte der Sonnmatt und ihres Trägervereins, des Elternvereins Sonnenhof Arlesheim, ist in erster Linie die Geschichte der Betreuten. Sie sind das Kernstück, sie mit ihrer Persönlichkeit, unverwechselbar, ehrlich, oft strahlend, mitunter verstimmt, liebebedürftig und Liebe ausstrahlend. Ein ganzes Buch könnte man schreiben über unsere Leute.

Nicht minder wichtig wäre es Betreuer und Betreuerinnen von der Heimleitung bis zum Reinigungspersonal zu würdigen. Wieviel Einsatz und Geduld, aber auch Überanstrengung und Erschöpfung haben unsere Heime schon erlebt.

Und schliesslich wäre es am Platz, alle die Menschen namentlich zu erwähnen, die in der (uns allezeit unterstützenden) Leitung des Sonnenhofs, im Elternverein, in den Heim- und Baukommissionen, als Revisoren, als „zugewandte Orte“ ihr Bestes zum Wohl unserer Betreuten gegeben haben. Und das ehrenamtlich.
Unser Ziel ist indessen nüchterner. Wir verzichten auf das Nennen von Namen und beschreiben sozusagen vom Standpunkt des Chronisten aus das Entstehen und Weiterleben unserer Institutionen. Dies ist eine Geschichte der Statuten und Reglemente, der Standorte und Bauvorschriften, des sozialen Systems und der Finanzen. Vor allem der Finanzen; denn erst beim dritten Heim, bei der Gründung des Rebgartens in Oberwil BL, haben der Kanton und die IV so viel beigetragen, dass der Elternverein die Restfinanzierung ohne allzu grosse Probleme verkraften konnte.
Mögen Sie, liebe Leser, hinter den trockenen Fakten die Menschen und Schicksale erraten, die enger oder lockerer, mit dem Elternverein in den 35 Jahren seines Bestehens verbunden sind.

Aus der „Gründerzeit“

Alles begann damit, dass der Sonnenhof im Frühsommer 1964 die Eltern seiner Betreuten nach Arlesheim rief, um ihnen klarzumachen, Plätze in Dauerheimen für erwachsene Seelenpflege-Bedürftige seien rar; im Sonnenhof würden demnächst mehrere Betreute die Altersgrenze, d.h. das 18. Jahr, erreichen. Ihre Lebenserwartung sei, dank der modernen Medizin, ungleich höher als früher. Die Eltern sollten aktiv werden.

Im gleichen Jahr, am 1. November, trafen sich von Käthis Mutter (Martha Heinimann, Bern; Red.) zusammengerufen, etwa drei Dutzend Eltern im Sonnenhof und beschlossen, sich zu einem Verein zusammen zu schliessen, zwecks Gründung von Dauerheimen für Erwachsene. In erster Linie sollten dort Schwerbehinderte einen Platz der Geborgenheit finden.Christophs Vater (Seminardirektor Dr. Flury, Küsnacht; Red.), der grosse Erfahrung in sozialen Belangen hatte, stellte sich als Präsident zur Verfügung. Juristischer Berater, zugleich Vizepräsident, wurde der Vater von Thomas und Bernhard (Oberrichter Dr. Luder?, Solothurn; Red.). Das Kassenamt übernahm Paulettes Vater, der seine Erfahrung als Firmendirektor einbrachte (Herr Schneider?, am Zürichsee; Red.). Käthis Mutter wirkte als Aktuarin, die Mütter von Eva, Barbara und Urs als Beisitzende. Sie alle hatten ein behindertes Kind im Sonnenhof.

Am 5.9.1965 wurden an der Gründungsversammlung im Sonnenhof die Statuten beschlossen. Der Verein begann unter dem Namen „Elternverein Sonnenhof Arlesheim“ seine Tätigkeit. Dieser Name sollte die Verbundenheit mit dem Mutterhaus und gleichzeitig der Mitglieder unter sich, die sich beratend beistehen sollten, ausdrücken. Der Verein steht nicht nur den Eltern, sondern allen, die sich um Behinderte kümmern, offen. Gleich welcher Herkunft, Konfession oder Weltanschauung sie auch seien. Das erste Anliegen ist das Platzieren Jugendlicher und Erwachsener mit schwerer geistiger oder mehrfacher Behinderung in eigenen Dauerheimen. Fürs Pädagogische sollen die Heime sich an den Sonnenhof halten. Innert kurzer Zeit wurden ca.150 Mitglieder geworben.Die Parole, die der Sonnenhof uns mitgab, hiess: Wollt ihr ein Heim gründen, so sucht zuerst die Leitung, dann das Haus und schliesslich das Geld. So wurde verfahren: Ein Heimleiterehepaar(mit einem eigenen schwerstbehinderten Kind) wurde gefunden. Ebenso eine Liegenschaft: Das seit einiger Zeit leer stehende Kinderheim Sonnmatt in Langenbruck. (Seit man die Tuberkulose mit Medikamenten bekämpfen konnte, waren Luftkurorte wie Langenbruck nicht mehr gefragt). Der Posthalter des Dorfs, der auch in der Schatzungskommission mitarbeitete und mit einem unserer Vorstandsmitglieder verwandt war, hatte das Objekt gefunden. Es wurde vom Vorstand besichtigt, gut geheissen und gekauft: für Fr. 280’000.- samt Umschwung und Inventar. In der Vereinskasse waren kaum ein paar hundert Franken, als der Kaufvertrag am 22.4.1966 unterzeichnet wurde. Die IV leistete damals nur Beiträge an ein Erwachsenenheim, wenn mindestens 60% der Insassen eingliederungsfähig waren. Eine Werkstatt war Bedingung. Und diese musste sich selbst tragen. Erschwerend kam dazu, dass Beiträge der IV und allenfalls des Kantons BL frühestens in zwei Jahren zu erwarten waren. Vor uns lag also eine Durststrecke.

All diesen Schwierigkeiten zum Trotz gelang die Sache. Angehörige gaben zinsfreie oder zinsgünstige Darlehen; mit Bettelbriefen warb der Vorstand bei Freunden und Firmen für Spenden; zwei Hypotheken wurden aufgenommen. Nach dem Kauf blieb sogar ein Restgeld, um die Innenräume streichen zu lassen, ein zweites Bad und eine Heizung einzurichten. Die Küche wurde sanft renoviert. Über jedes Möbel- und Ausstattungsstück, das schon da war, war man froh. z.B. über die grossen, kahnähnlichen Betten samt (alten!) Matratzen und bergartigen Deckbetten.

Wo aber sollten wir das Geld für die von der IV verlangte Werkstatt – die wir im Heimgebäude nicht unterbringen konnten – hernehmen? Die für die Sonnmatt bestellte Heimkommission wurde fündig. Sie mietete zu günstigem Preis eine ausgediente Nationalstrassenbau-Baracke. Freiwillige – Lehrlinge der Aktion 7 – stellten sie gratis auf. Nun stand ein Raum bereit für Web-, Holz-, Wachs- und Strickarbeiten. Dazu kamen neu Metallarbeiten; Firmen liessen Einzelteile aus Metall in der Sonnmatt zusammenfügen.

Zwei Jahre nach der Gründung zählte das Heim 13 Betreute (wovon fünf „Pflegefälle“) und – neben den Heimeltern – zwei Mitarbeiter. Zwei weitere Stellen waren bewilligt. Aber es war schwierig – und blieb es über Jahrzehnte, und nicht nur in Langenbruck – Mitarbeiter zu finden.

Die Sonnmatt hatte sich nach zwei Jahren den Luxus einer Waschmaschine geleistet. Der Garten wurde mit Gewächshäusern ausgerüstet (aus alten Fenstern), in denen auf gesunde Weise Gemüse und Früchte gezogen wurden. Kaninchen, Hühner und Schafe wurden angesiedelt.

1969 traf der Beitrag der IV an den Kaufpreis (Fr. 280’000.-) ein: Fr. 62’718.- kamen an, das ist ein Drittel des Kaufpreises vermindert um nochmals einen Viertel, da das Heim 25% Nichteingliederungsfähige beherbergte. (Später kamen auch vom Kanton namhafte Beiträge.) Der Wohnraum für die 13 Pensionäre, die kräftig wachsende Leiterfamilie und die Mitarbeiter war eng geworden. Für die Köchin mit ihren beiden Kindern konnte eine kleine Wohnung nebenan gemietet werden Da die Sonnmatt abseits vom Verkehr liegt, wurde ein Auto bewilligt.

In der Zwischenzeit hatte der Sonnenhof das Bergschulheim Wengen eröffnet. Der Elternverein steuerte Fr. 20’000.- an dieses Projekt bei – und stand einmal mehr mit leeren Händen da. In dieser Not half Pro Infirmis mit einer grösseren Spende. Der Vater eines Betreuten half ebenfalls mit einer grossen Spende. (in Form eines zinsgünstigen Darlehens). Zwei Vereinsmitglieder starteten die Aktion „Litho Felix“ und die Aktion „Märchenheft“. Beides zusammen brachte über Fr. 30’000.- ein.

1970 drängten sich für die wachsende Betreutenschar und die wachsende Heimleiterfamilie neue Bauten auf: Eine neue Werkstatt mit einem Eurhythmiesaal im gleichen Gebäude, eine Garage, ein Anbau ans Hauptgebäude für die Heimleitung. Die Feuerpolizei verlangte die Sanierung des alten Treppenhauses. Finanziert wurde dieses Bauen durch die Aktion „Glückskette“ und das Geschenk eines Vaters eines Heimbewohners (je Fr .20’000.-).

Von hier an verbindet sich die Geschichte der Sonnmatt mit derjenigen des Heims Sunnegarte in Muri: „Geschwister von gleichen Eltern – verknüpftes Schicksal“. Das 1971 aus der Taufe gehobene Heim in dem Vorort von Bern konnte von den Erfahrungen der Sonnmatt profitieren – wie es denn überhaupt wünschenswert ist, dass Heime mit ähnlichem Konzept sich gegenseitig anregen, mitunter einzelne Betreute austauschen, Produkte herstellen, die das Geschwisterheim brauchen kann. Personalmangel herrschte sowohl in Langenbruck wie in Muri. In den 60-er, 70-er und 80-er Jahren gab es schlicht zu wenig Menschen, die sich für die Aufgabe der Betreuung Schwerbehinderter interessierten.1980 war ein Jahr der Rückschläge. In der Sonnmatt wechselte innert einem Jahr zweimal die Heimleitung, die Zahl der Zöglinge nahm ab, desgleichen der Zufluss finanzieller Mittel. Der Präsident des Elternvereins leistete einen fast übermenschlichen Einsatz, indem er persönlich, von seinem entfernten Wohnort aus, ohne Auto, monatelang die Sonnmatt leitete. Um die Zeit der Prüfung zu überstehen, brauchte es viel Durchhaltewillen. Als grösste Kraft in der Not erwies sich die Anhänglichkeit, die Herzenswärme, die strahlende Seele unserer Betreuten.

Am 1. September 1981 ging eine Ära des Elternvereins zu Ende. Völlig unerwartet starb der Präsident, mitten aus seiner Arbeit für den Elternverein heraus. 16 Jahre lang hatte er den Verein und dann zusätzlich auch die Heimkommission Langenbruck geleitet, unermüdlich, gütig, warmherzig, dabei kompetent, mit Blick für das Wesentliche und mit Verständnis auch fürs Kleine, Alltägliche. Mit seinem unverwüstlichen Humor stand er über den Dingen.

In die schmerzliche Lücke sprangen seine Gattin (für die Heimkommission Langenbruck, Frau Sylvia Flury; Red.) und Hansrudis Vater (Prof. Robert Schläpfer-, Red.), der, seit einem Jahr dem Vorstand angehörig, sich bereits bestens eingearbeitet hatte. Zusammen mit dem Vizepräsidenten nahm er sich des Vereins an, dessen Präsident er bis 1997 (d.h. bis zu seiner schweren Krankheit; Red.) blieb, Er setzte ähnlich wie sein Vorgänger – alle Kräfte und sein ganzes Wissen und Können zum Wohl unserer Heime ein.

Kaum hatte sich – 1982 – die finanzielle Lage des Vereins konsolidiert (dank Beiträgen der Kantone und Gemeinden und vieler Privater, dank auch einem Hilfsverein, der sich zu Gunsten des Sunnegartens konstituiert hatte), als wieder ein Ruf nach neuen Heimplätzen kam.

Hier wäre nun die Geschichte des Rebgartens in Oberwil BL zu schreiben, des zweiten „Geschwisters“ der Sonnmatt. Doch davon ein andermal.

In der Sonnmatt stellten sich, mit dem Älterwerden der Betreuten, neue Probleme. Für viele wurde das Treppensteigen, der Einstieg in die Badewanne, die Enge der Schlafzimmer zunehmend belastender. Manche technische Einrichtung war reparaturbedürftig. Das in der Sohle des Schöntals gelegene Haus weckt zwar ein Gefühl von Geborgenheit, aber es hat zu wenig Licht.

Gleichzeitig mit der Ablösung der Heimleitung (Ehepaar Marich-Braun durch Ehepaar Krauter-Braun; Red.) durch neue Heimeltern kam der Gedanke an einen Neubau auf. Das war 1991. Jetzt, im Jahr 2000, ist die neue Sonnmatt vollendet, steht hell, geräumig und einladend, über die Talsohle herausgehoben, da. Ein lichter Innenhof erinnert an das Atrium einer römischen Villa. Oder an den Kreuzgang eines Klosters.

Das mittelalterliche Kloster Schöntal liegt – in der Tat – nur wenige Schritte weiter hintan im Tal. Geht man einige Minuten bergwärts, stösst man auf die Reste der alten Römerstrasse, die das Land nördlich des Juras mit dem Jurasüdfuss verband Die Sonnmatt steht an historischer Stätte.

Um in die Gegenwart, zur Baugeschichte der Neuen Sonnmatt zurückzukommen, geben die beiden Chronistinnen einem Berufeneren das Wort.

Vorgetragen bei der feierlichen Eröffnung des Neubaus Freitag, den 27. Oktober 2000

Martha Heinimann und Sylvia Flury